Xxv. §. 12. Die Kämpfe der Gegenwart. 653
im Trüben zu fischen und den befreundeten Nationen eben so oft einen
Streich zu spielen, als den feindlichen. Noch hält sich der alte edle
angelsächsische Bruderstamm in England, und ihn begrüßen wir noch
heute freudig als unser Fleisch und Bein, und reichen ihm die Hand
zum gemeinsamen Dienst am Werk des Herrn. Aber die große Masse
ist mehr und mehr hingegeben den „materiellen Interessen"; und Han-
del und Industrie sind die beiden morschen Säulen, auf welche das
englische Reich sich allein jetzt noch gründen zu wollen scheint.
Und leider nicht bloß England, sondern auch alle Reiche des
Festlandes, absonderlich des Mittlern Europa, und leider auch unser
Vaterland.
Seitdem im Jahre 1848 die Goldminen Californiens und
bald hernach die Goldfelder Australiens entdeckt sind, hat der schon
früher weit verbreitete Trieb, reich werden zu wollen, sich in einen förm-
lichen Golddurst verwandelt. Mit rasender Hast überbietet man sich
in mechanischen Unternehmungen, Aufrichtung von Fabriken, Eisen-
bahnbauten, Bohrversuchen, Ausbeutung des Erdbodens. Jeder will
reich werden, ohne Mühe. Man speculirt, man kauft Actien, man be-
theiligt sich an Banken und gewinnversprechenden Unternehmungen
aller Art, man schwindelt sich einander das Geld ab; armselige Hun-
gerleider sind morgen Millionäre, und wohlstehende Familien liegen
morgen unter den Bettlern. So erwächst ein riesengroßes Ungethüm
neben den reichgewordenen, in allen fleischlichen Genüssen schwelgenden
Capitalisten: der Pauperismus, das Proletariat. Nicht mehr
eine Anzahl Arme unter vielen Begüterten, sondern Heere und Hor-
den von Armen (dername Arme ist viel zu gut), von Nichtsbesitzen-
. den in allen Städten, bald auch auf allen Dörfern, Nichtsbesitzenden,
die mit Grimm und Hohn auf die Besitzenden sehen, die ohne Mittel,
zu einer freudigern Existenz sich emporzuarbeiten, sich den gemeinsten
Lüsten ergeben, um ihr täglich mit ihnen erwachendes Elend wenigstens
im augenblicklichen Sinnentaumel zu vergessen. Wohl werden von
christlicher Liebe unzählige Versuche gemacht, um diesem erschreckenden,
mit Riesenschritten um sich greifenden Elend Damm und Riegel zu
setzen, aber noch ist das Zauberwort nicht gefunden, welches hier Hülfe
bringen kann, und wird auch nicht gefunden werden. Denn es giebt
nur eins: Buße, Buße und Glaube an das Evangelium. Gerade
aber das wollen sie nicht, weder die Reichen noch die Armen, sondern
im Genuß und in der Gier, und in den Fleischeswegen und im Mam-
monsdienst dahingehen bis an's Ende. So wird sich denn an ihnen
wie an uns das Geschick erfüllen, und die Gerichte Gottes werden
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Extrahierte Personennamen: Grimm
Extrahierte Ortsnamen: England England Europa Californiens Gottes
Xxiv. §. 6. Philipp Ii. und die Guisen in Frankreich. 539
werden mußte. Das viele in den unglücklichen Schlachten vergossene Blut
der Protestanten, die Blutströme der entsetzlichen Bartholomäusnacht,
1572, wo mehr als 100,000 durch den Fanatismus des Pöbels und aus
Befehl der Regierung sollen getödtet sein, ist keineswegs geradezu als
Märtyrerblut zu bezeichnen. Es ist für politische Zwecke eben so-
wohl und mehr noch vergossen als für die evangelische Wahrheit.
Auch haben die Protestanten nur durch politische Aenderungen endlich
eine zeitweise ruhigere Existenz erlangt, nicht durch die Energie ihres
Glaubens.
Die Jesuiten, die sich etwa seit 1563 in Frankreich fest-
setzten, konnten sich schon 1580 rühmen, die Zahl der Hugenotten habe
um 70 Procent abgenommen, die Hauptstadt, die bedeutendsten Städte,
das gemeine Volk sei wieder ganz katholisch. Wäre es so fortgegan-
gen, wäre Gewalt und Schlauheit noch weiter in gleichem Maße
gegen die Protestanten angewendet, sie hätten in Frankreich schwerlich
je ein Edict von Nantes erlangt. Aber die Guisen verbanden sich
mit dem ausländischen König, mit Philipp Ii., der in allen Maß-
regeln gegen die Katholiken in Frankreich seine Hand gehabt, und
das sollte zum Verderben der Guisen, zur Rettung der Hugenotten
ausschlagen. Indem nämlich die ersteren mit Philipp Ii. einen
Bund schlossen, der eben sowohl gegen den König Heinrich Iii.
(1574—80) und das absterbende Haus Valois, als gegen die Pro-
testanten und das Haus Bourbon gerichtet war, zwangen sie den ka-
tholischen König Heinrich Iii., sich in die Arme des protestantischen
Prinzen H ein rich von Navarra zu werfen. Als darauf Heinrich Ui.
ermordet wurde und somit das Haus Bourbon mit eben diesem
protestantischen Heinrich Iv. von Navarra auf den Thron kam, konnte
dieser nicht bloß auf die Unterstützung der Hugenotten, sondern auch
aller katholischen Franzosen zählen, die sich den Anmaßungen der
Guisen und der Uebermacht Philipp's 1!. entgegenzustemmen such-
ten. Endlich thatheinrich Iv. selber den letzten Schritt und wurde
katholisch, sorgte aber doch für die Sicherstellung seiner ehemaligen
Glaubensgenossen durch das Edict von Nantes (1598), welches ihnen
etwa 100 Jahre lang wenigstens eine kümmerliche Existenz in Frank-
reich gewährt hat.
So jammervoll und niederschlagend auch die Geschickte der Gegen-
reformation in Deutschland für uns ist, so fühlt man sich doch erleich-
tert, wenn man von dem Ueberblick der französischen Religionskriege
sich wieder zu den deutschen Zuständen zurückwenden kann. Es ist
gar nicht zu sagen, welch ein Gewebe von Treulosigkeit, Rohheit, La-
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Ii Philipp Philipp_Ii Philipp Philipp_Ii Philipp Heinrich_Iii Heinrich Heinrich_Iii Heinrich Heinrich_Ui Heinrich Heinrich_Iv Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Frankreich Nantes Frankreich Navarra Navarra Nantes Frank- Deutschland